LANDKREIS SÜDWESTPFALZ
Töne wieder hörbar machen
AM ARBEITSPLATZ: Silke Wiese arbeitet als Hörgeräte-Akustikerin in Dahn – Hilfe, um am Leben wieder richtig teilzunehmen
Von Andrea Daum
Pralinen am Arbeitsplatz? Nein. In der Schachtel findet sich eine kleine Auswahl an Hörgeräten. Das passende Hörgerät für ihre Kunden finden, dieses immer wieder den sich veränderndem Hörvermögen anpassen, das gehört zum Aufgabengebiet von Hörgeräte-Akustikerin Silke Wiese. Unentbehrlicher Helfer ist der Computer, der beispielsweise hilft, das Hörvermögen genau zu erfassen. ( Foto: Andrea Daum)
DAHN. Dass sich Menschen im wahrsten Sinne des Wortes verstehen, macht einen großen Teil des Miteinanders aus. Deshalb ist die Fähigkeit, hören zu können, wichtig. Das menschliche Hörvermögen kann aber geschädigt werden, lässt alterbedingt nach. Dadurch kann sich die gewohnte Kommunikation mit anderen drastisch verändern. „Das muss nicht sein“, sagt Silke Wiese. In vielen Fällen, in denen Hörvermögen verloren geht, können Hörgeräte helfen. Dass Betroffene weiter eine hohe Lebensqualität haben, wieder gut hören können, ist ihr Beruf: Silke Wiese ist Hörgeräte-Akustik-Meisterin.
Eines ihrer wichtigsten Geräte am Arbeitsplatz ist der Computer. „Damit beginnt technisch gesehen alles“, erläutert Wiese. Dass zuvor bei vielen Menschen mit Hörverlust erst mal die Überzeugungsarbeit geleistet werden musste, dass sie sich mit dem Thema Hörgerät auseinandersetzen, „das erfahren wir immer wieder“, erzählt Wiese. Den Kunden die mögliche Scheu vor einem Hörgerät zu nehmen und ihnen zu zeigen, dass ihre Lebensqualität wieder zunimmt, wenn sie besser hören, das ist eine wichtige Aufgabe, die mit ihrem Beruf verbunden ist. Es gelte für jeden Kunden das Hörgerät zu finden, „mit dem er sich auch wirklich wohl fühlt, mit dem er umgehen kann“, sagt die 41-Jährige, die zunächst eine Ausbildung zur Augenoptikermeisterin absolvierte, die Ausbildung zur Hörgeräte-Akustik-Meisterin aufsattelte. Es helfe ja nichts, „wenn jemand ein Hörgerät hat und es nicht benutzt“.
Das Audiogramm, das am Computer erstellt wird, ist die Grundlage für die Arbeit. Die Ergebnisse verschiedener Tests, die Wiese vornimmt, werden hier abgebildet. Sie zeigen, ob ein Hörgerät helfen würde, das Hörvermögen wieder zu verbessern. Denn es gibt auch Ursachen, beispielsweise krankheitsbedingt, die Hörverluste zur Folge haben, die sich nicht durch ein Hörgerät verbessern lassen.
Die Untersuchung des Ohrs mit einem Instrument namens Otoskop – sofern nicht schon der HNO-Arzt entsprechende Diagnosen gestellt hat – ist deshalb die erste Aufgabe des Hörgeräte-Akustikers. Das Otoskop ermöglicht den genauen Blick ins Ohr. Es folgen Hörtests. Der Raum, in dem Silke Wiese arbeitet, ist schallgedämmt. Das ist wichtig, um das Hörvermögen genau erfassen zu können. Reine Töne, die zeigen, in welchem Frequenzbereich sich sein Hörvermögen noch bewegt, werden eingespielt. Getestet wird auch die Fähigkeit, Sprache zu verstehen. Beim Sprachtest werden per Computer Wörter deutlich artikuliert vorgesprochen, die es nachzusprechen gilt. Sind alle Tests abgeschlossen, werden die Ergebnisse am Computer in einem farbigen Audiogramm dargestellt.
Auf der vertikalen Achse kann die Hörgeräte-Akustikerin sehen, in welchem Dezibelbereich der Kunde noch hören kann. Im Alltag ist das wichtig, weil das beispielsweise die Lautstärke bestimmt, mit der ferngesehen wird. Die horizontale Achse zeigt, in welchem Hertz-Bereich der Mensch noch hören kann. Ob er hohe und tiefe Töne gut hören kann. Ein junger Mensch, dessen Hörvermögen nicht geschädigt ist, hört Töne im Bereich zwischen 20- und 21.000 Hertz. Schon biologisch bedingt geht das Hörvermögen im Alter zurück. „Es fängt in der Regel bei den hohen Tönen an“, sagt Wiese.
Dann gilt es, die sogenannte Unbehaglichkeitsschwelle des Kunden zu finden. Das ist der Bereich, in dem dieser Töne hört und das Hören nicht als unangenehm empfindet. „Das ist wichtig, denn wenn der Mensch das Hören mit einem Hörgerät als unangenehm empfinden würde, wäre die Folge wieder, dass er es nicht benutzt“, erklärt die Fachfrau.
Wird dem Kunden bewusst, dass mit Hörgerät besser hört, gilt es das richtige Hörgerät zu finden. „Das Gerät, mit dem er sich wohl fühlt“, erläutert Wiese. Zunächst einmal sind Hörgeräte vom technischen Aufbau her gleich, bestehen im Miniaturformat aus einem Mikrofon, einem Verstärker und einem Lautsprecher, die durch eine eingebaute Batterie, die regelmäßig gewechselt werden muss, mit Strom versorgt werden.
Der Vielfalt und damit der Preisgestaltung sind bei den Hörgeräten nach oben keine Grenzen gesetzt. „Es gibt Hörgeräte, die die Krankenkassen bezahlen, aber auch Hörgeräte, die ausstattungsbedingt deutlich teurer sein können“, sagt Wiese. Beispielsweise kann es sein, dass das Hörgerät mittels Kabel mit dem Computer verbunden wird, wenn zur Kontrolle ein Audiogramm erstellt wird. Hochwertigere Geräte verbinden sich bereits via Bluetooth. Das macht die Handhabung einfacher. Krankenkassenzuschüsse für Hörgeräte gibt es in jedem Fall. Deshalb steht für sie fest: „Niemand, dem ein Hörgerät helfen könnte, muss schlecht hören“.
Ist das Gerät ausgesucht, geht es ans Anpassen. „Das Hörgerät muss richtig sitzen“, sagt Wiese. Dafür nimmt sie sich Zeit. Erfahrungsgemäß dauere es immer einige Monate, bis das Hörgerät richtig passe, der Kunde sehr gut damit zurechtkomme. Regelmäßige Nachkontrollen, bei denen die Leistung des Hörgerätes an das sich verändernde Hörvermögen angepasst wird, gehören zu ihrem Beruf. Was sie an diesem am liebsten mag? Neben den technischen und handwerklichen Tätigkeiten „vor allem, dass ich Menschen wirklich helfen kann, wieder richtig am Leben teilzunehmen, weil sie wieder besser hören.“